Eine Meisterleistung vorgestellt - Jahreshauptversammlung 2025

„Warum und zu welchem Ende schreibt einer ein Stadtlexikon?“ So lautete heuer der an Schiller angelehnte Titel des Abendvortrags auf der Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins für den Landkreis Deggendorf. Vereinsmitglied Dr. Fritz Wagner, bekannter Autor und Verfasser des online-Stadtlexikons Deggendorf, führte seine Vereinskollegen sowie etliche interessierte Gäste am vergangenen Dienstag durch die Frucht seines gut zwanzigjährigen Forschens und Schaffens zugunsten seiner Heimatstadt. Der Vereinsvorsitzende Dr. Ernst Schütz begrüßte ihn auf das Herzlichste, ebenso wie insbesondere Landrat Bernd Sibler, Bürgermeister Günther Pammer von Deggendorf, die Ortsheimatpfleger von Metten (Thomas Resch), Stephansposching (Thomas Haug) und Winzer (Adolf Leitl), die anwesende Geistlichkeit sowie nicht zuletzt namentlich das jüngste Mitglied des Vereins, Sabrina Edmeier.

Bernd Sibler, selbst Mitglied des Vereins, äußerte sich zu Beginn der Veranstaltung überaus glücklich über den Stand der Geschichts- und Kulturpflege im Landkreis Deggendorf, der seit kurzem neben einem hauptamtlichen Kreisarchäologen auch über einen hauptamtlichen Kreisheimatpfleger verfüge – wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Zudem sei allgemein bekannt, dass der Landkreis Deggendorf dereinst Bayerns erste Kreisarchäologenstelle geschaffen und zur Nachahmung empfohlen habe; dass sowohl der amtierende Kreisarchäologe als auch der amtierende Kreisheimatpfleger der Vorstandschaft angehören, sei nicht zuletzt Ausweis der Bedeutung des Geschichtsvereins, ja insgesamt des ehrenamtlichen Engagements auf Landkreisebene.

Schütz eröffnete seinen Tätigkeitsbericht für das vergangene Vereinsjahr mit einem stillen Totengedenken und einem Überblick über die Vortragstätigkeit des Geschichtsvereins. Hervorzuheben seien vor allem die in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Deggendorfer Land Vortragsreihe „Geschichte am Abend“ mit Prof. Dr. Lutz-Dieter Behrendt, die sich zweimal jährlich eines regen Zulaufs erfreue. Daneben gelte auch die Vortragsreihe „Künzinger Vorträge zur Archäologie“ als ein Publikumsmagnet, der zusammen mit der Volkshochschule, dem Museum Quintana, dem Museumsverein Künzing und der Kreisarchäologie fortgeführt werden solle. Einen Schwerpunkt der Forschungsarbeit bilde nicht zuletzt die Eisenbahngeschichte: Erst wenige Tage zuvor war im Kolpinghaus das neueste Werk des Vereinsmitgliedes Bernhard Rückschloß über die Nebenbahn Deggendorf – Kalteneck gemeinsam mit der Katholischen Erwachsenenbildung, der Kolpingfamilie Deggendorf und dem Modell-Eisenbahn-Verein Deggendorf der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

Die Hauptarbeit des Vorstands habe in den vergangenen 12 Monaten jedoch zum einen darin bestanden, das nächste Heft der Deggendorfer Geschichtsblätter in trockene Tücher zu bringen. Es handle sich dabei um einen Themenband über die historischen Museen und Sammlungen im Landkreis, eine Fertigstellung sei in greifbarer Nähe. Zum anderen habe man sich mit dem publizistischen Erbe des 3. Vorsitzenden und Kreisarchäologen a.D., Dr. Karl Schmotz, auseinandersetzen müssen, nachdem dieser kurz vor Vollendung seines über 1.000-seitigen Standardwerks über die Archäologiegeschichte unseres Landkreises unerwartet verstorbenen sei. Man habe es tatsächlich geschafft, sein Werk in seinem Sinne und mit Hilfe seiner in harter Recherchearbeit aufgetriebenen Notizen vollumfänglich fertigzustellen. Schütz gewährte den Anwesenden einen kleinen Vorab-Einblick in das bereits gesetzte doppelbändige, reich illustrierte und sowohl nach Epochen als auch nach Gemeinden geordnete Buch, das in den kommenden Monaten ebenfalls in den Druck gelangen wird und den Vereinsmitgliedern zugestellt werden soll. Als Ausblick diente schließlich der Hinweis auf die geplante Beteiligung des Geschichtsvereins gemeinsam mit einer Schülergruppe des Robert-Koch-Gymnasiums am bevorstehenden bundesweiten 1. Tag der Demokratiegeschichte – Details werden folgen.

Den Hauptteil des Abends bestritt sodann Dr. Wagner mit einer Vorstellung des von ihm verfassten Stadtlexikons, das ursprünglich völlig unbeabsichtigt aus den systematischen Vorarbeiten zu seinem Erstlingswerk über den Deggendorfer Komponisten und Kirchenmusiker Ludwig Ebner (1858‒1903) hervorgegangen sei. Kombiniert mit der Feststellung, dass die seit dem 17. Jahrhundert vorliegenden Deggendorfer Matrikelbücher lückenhaft seien, habe sich Wagner zusätzlich dazu hinreißen lassen, die dort fehlenden Angaben durch Heranziehung der ab 1601 erhaltenen Briefprotokolle der Stadt so weit wie möglich zu vervollständigen: „Damit begannen die Verzeichnisse von Personen in Deggendorf des 17. und 18. Jahrhunderts zu wachsen und zu wachsen“, so Wagner. Das alphabetisch geordnete Personenlexikon enthalte mittlerweile etwa 2.200 größere und kleinere Artikel zu Personen, in denen jeweils im Schnitt noch fünf weitere Personen behandelt sind. Dies sei dann, so Wagner weiter, der Anfang dieses Lexikons gewesen, und „weil man solche umfangreiche Verzeichnisse nicht mehr drucken und verkaufen, also auch nicht finanzieren kann, war es die Geburtsstunde eines online-Lexikons“.

Worin besteht nun dessen Hauptziel? Zuallererst natürlich solle es als „ein Bollwerk gegen das Vergessenwerden“ dienen, sodann aber auch zum diskursiven Lesen anregen, wodurch letztlich schon beinahe automatisch der eigentliche Endzweck aller Geschichtsforschung angesprochen sei: das Lernen aus der Geschichte, und zwar aus dem Positiven ebenso wie aus dem Negativen! Gerade in den persönlichen Lebensläufen bekannter wie unbekannter Deggendorfer (genannt wurden neben dem bekannten kaiserlichen Hofkontrollor zu Wien Kaspar Amann u.a. der Kaufmann und Gelegenheitsdichter August Jännichen, der Sammer Xidi oder auch Josef Kronner alias „der Harmonika-Sepp“) lasse sich Geschichte mit einem individuellen Blick verbinden, der die Umstände der jeweiligen Zeit mit einbeziehe – der menschengemachten Umstände, wohlgemerkt. Etliche Irrtümer in der Stadtgeschichtsforschung könnten in diesem Zuge ausgeräumt werden, schöne und nachträglich aufgehübschte Geschichten könnten ebenso zurechtgerückt wie durch neue ergänzt werden. Dies bedeute indes keine Schwarzmalerei, so Wagner, denn schließlich könne man sich auch immer über Beispiele aus der Deggendorfer Geschichte freuen, die zeigen, wie manche Dinge schon vor vielen Jahrhunderten durchaus richtig angepackt wurden. Dies sei auch der Grund, warum man in Deggendorf nie etwas vom Hexenwahn vernommen habe: „Ein paarmal wurde der Rat mit Anzeigen behelligt, so 1675 und 1735, z.B. dass eine Hexe, eine Gabelfahrerin, eine andere Bürgersfrau von Straubing nach Deggendorf gehext habe. Das hätte anderswo vielleicht gar den Tod bedeutet. In Deggendorf? In allen diesen Fällen haben die Ratsherren empfindliche Geldstrafen ausgesprochen ‒ aber für die Frauen, die andere als Hexen beschuldigt hatten. Hut ab! Man lerne: Vernunft und Gelassenheit sind beim niederbayerischen Temperament doch nicht ganz unvereinbar.“

Abschließend plädierten Wagner und Schütz gemeinsam dafür, dieses großangelegte Stadtlexikon weiter auszubauen – und zwar soweit möglich unter Mithilfe freiwilliger Autoren, die als willkommener Support das Erreichte nicht nur weitertragen, sondern auch bis ins 21. Jahrhundert weiterführen sollten. Ein Stadtlexikon wie dieses, so Schütz, sei alles andere als eine Selbstverständlichkeit: Wieder einmal habe man in Deggendorf zuerst gezeigt, wie man etwas richtig macht. Und das verdiene unser aller Unterstützung.
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Fotos: Norbert Neuhofer, Welchenberg

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